Churrasco Gaúcho | Brasilianische Grillkultur

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Ein aufgespießtes Stück Fleisch, über der Glut geröstet: Das ist die Definition des großen Stars der brasilianischen Gaúcho-Küche. Trotz seiner Einfachheit und Rustikalität, schließt die Zubereitung dieser Spezialität eine bestimmte Technik nicht aus. Es gibt einige Geheimnisse, die wir Euch hier im MAGAZIN verraten werden!

Ich bin in Porto Alegre/Rio Grande do Sul aufgewachsen, das Bundesland der Gauchos schlechthin. Aufgrund meiner Beobachtungen als Tochter und Schwester von leidenschaftlichen „Assadores“ (bei uns gab es Churrasco – im Ernst – JEDES Wochenende!) kann ich Euch ein Paar Tipps geben und garantieren, dass die Zubereitung nach brasilianischer Art so gelingt! Nach den Tipps erzähle ich euch wie ein Sonntag bei uns in meiner Kindheit aussah, wenn sich der ganze Tag nur um Churrasco dreht.

In einem anderen Beitrag erzähle ich Euch  wie unsere Nachbarn aus Argentinien grillen – so viel wird verraten: Die Rivalität zwischen Brasilien und unseren  “Hermanos Argentinos” beschränkt sich nicht nur auf Fußball…

Zuerst ein Einblick in die Geschichte: Das Churrasco entstand bereits vor ca. 300 Jahren, als die Gauchos noch Ihre Herden monatelang über die südamerikanischen Steppen getrieben haben. Abends wurden einzelne Tiere aus der Herde geschlachtet und am Lagerfeuer auf Spießen gegrillt. Man saß gemütlich zusammen, erholte sich von der Tagesarbeit und machte Musik. Im Laufe der Zeit verbreitete sich die Vorliebe für Churrasco landesweit und über die Jahre etabliert sich die Kultur der „Churrascarias“ in verschiedenen Teilen des Landes. Aber eins blieb immer gleich: Churrasco ist ein Synonym für Geselligkeit und gemütlichem Beisammensein, damals bei den „Cowboys“ sowie heute Zuhause.


1) DAS RICHTIGE FLEISCH UND DIE RICHTIGEN ZUSCHNITTE

Das Rindfleisch wird zum Churrasco bevorzugt. Die Gauchos haben damals darauf geachtet, das Fleisch nie direkt nach der Schlachtung zuzubereiten, denn es muss reifen um die Fasern weicher zu machen. Eine Nacht oder 12 Stunden ist genug Zeit, um eine gute Reifung zu erreichen. Diese Bedenken entfallen heute, da das Fleisch vom Metzger oder aus dem Supermarkt eh nicht direkt nach der Schlachtung angeboten wird.

Die bekanntesten brasilianischen Fleischzuschnitte sind: Picanha (auf Deutsch Tafelspitz/Hüftdeckel), Maminha (auf Deutsch Bürgermeisterstück/Hüftspitze – ein abgeschnittener Teil der gesamten Picanha), Costela (Rinderrippe, die langsam und so lange geröstet wird, bis sich das Fleisch von den Knochen löst) und Cupim (der Höcker auf den Schultern einiger Rinderrassen).

Außerdem werden heute je nach Geschmack anderen Fleischsorten als Churrasco zubereitet: Lamm-, Hühner- und Schweinefleischschnitte sowie Würstchen sind sehr beliebt.

                       

2) DAS GEWÜRZ

Zum Thema Gewürz gibt es keine Kompromisse und die echten Gauchos schwören: „Grobes Salz und Amen!“ Die Gaucho-Art der Würzung: Salz einschmieren. Fertig.

Zu beachten ist, das Fleisch jedoch nicht roh zu salzen, sondern erst nachdem es etwas Farbe auf dem Feuer bekommen hat. Sonst geht man das Risiko ein, dass das Fleisch etwas austrocknet. Wenn das Salz anfängt weißlich zu werden, muss es entfernt bzw. abgeklopft werden. Wer trotzdem außer der Reihe tanzen will, darf ausnahmsweise das Fleisch im (wahlweise) Wein, Bier oder Cachaça marinieren 🙂

 

3) DAS FEUER

Wie die Gauchos sagen: “Das Feuer macht das Churrasco“. Das liegt daran, dass ein schwaches Feuer das Gericht verderben kann. Der Tipp ist, die Holzkohle im Voraus so lange brennen zu lassen bis der anfängliche Rauch aufhört zu steigen, da dieser den Geschmack und das Aroma beeinträchtigen kann.  Der richtige Zeitpunkt um das Fleisch aufs Feuer setzen ist wenn auf der Kohle eine Schicht Asche erscheint.

Ein weiteres Geheimnis ist es, die Entfernung zwischen der Kohle und dem Fleisch richtig zu treffen. Wenn der Spieß zu nah am Feuer ist, wird das Fleisch äußerlich verkohlen und innerlich nicht richtig gar werden. Wenn der Spieß zu weit weg ist, wird das Fleisch eher kochen und nicht rösten. Der optimale Abstand wird bemerkbar, wenn Fett auf die Glut tropft: Es entstehen weder aufsteigende Flammen noch wird das Feuer durch das tropfenden Fett weder schwacher noch gelöscht. Die richtige Entfernung vom Spieß zum Feuer erfordert Übung und verbessert sich jedoch durch Praxis und Beobachtung.

Echte Holzkohle – keine Briketts!!

 

4) DAS RICHTIGE MESSER

Ein gepflegtes und sehr scharfes Messer ist unerlässlich. Es muss außerdem einen guten Griff haben. Idealerweise haben spezielle Messer für Churrasco eine Klinge von ca. 30 bis 40 cm. Um diese zu schützen, kommt eine Lederhülle zum Einsatz.

 

5) SPIEß ODER GRILLROST?

Spieße mit Holzgriffen schützen den „Assador“ von Verbrennungen an den Händen. Sie sind in verschiedenen Formaten verfügbar: breit, schmal, einzeln oder doppelt. Sie sind für kleinere Stücke Fleisch geeignet, sowie für Rippen, Medaillons und Vorspeisen bzw. Nachtisch (Bananen, Ananasscheiben, Paprika, Zwiebeln usw.)

Der Grillrost ist für größere und ganze Stücke Fleisch wie Picanha und Maminha geeignet. Das liegt daran, dass die Fleischsäfte nicht entweichen können, da das Fleisch nicht aufgespießt wird. Es gibt trotzdem „Assadores“, die Picanha am Spieß in Scheiben zubereiten, aber das kann das Fleisch härter und weniger saftig machen.

                                                   

6) DIE BEILAGEN

Wenn man nicht nur Appetit auf Fleisch hat, findet man je nach Region diese Beilagen auf dem Tisch: Farofa (gewürztes und geröstetes Maniokmehl), Knoblauchbrot, Reis, Kartoffelsalat, gekochten oder frittierten Maniok (aipim cozido/aipim frito), Salate und Bohnengerichte (feijão mexido).

                                                                    Farofa 


Und so sah es bei uns am Wochenende in meiner Kindheit aus (und es tut bestimmt immer noch, in tausenden anderen brasilianischen Familien): Mein Vater hat am Sonntag ganz früh die Sonntagsbrötchen geholt und gleich danach ging es los: Die „Churrasqueira“ vorbereiten, die Kohlenreste vom letzten Wochenende beseitigen, die Spieße kontrollieren und sauber machen, das Bier kaltstellen, das Knoblauchbrot einreiben (als große Entlastung für meine Mama in der Küche 🙂 und je nach Fleischsorte (z.B. „Costela“ – die Rippen, die brauchen ewig!) ggf. das Feuer schon Vormittags anzünden und loslegen.

Meine Mutter bereitete Kartoffel- und  Tomaten-Zwiebel Salat vor und deckte den Tisch (besonders im Süden und wenn man Platz hat, sehen die Tische neben der Churrasqueira genauso aus wie deutsche Biergartentische – lang und mit Bänken, da die Anzahl der Gäste noch ungewiss ist – mehr dazu gleich).

Wir Kinder mussten überhaupt nicht helfen, ich habe trotzdem gerne Kartoffel geschält , die Mayo zum Kartoffelsalat selbst nach Mamas Rezept angerührt. Selbstgemachte statt gekaufte Mayo hat uns allen viel besser geschmeckt.

Meine Brüder spielten Fußball zusammen, sind gelegentlich zur Churrasqueira gekommen um das Feuer bzw. die Glut zu bewundern und haben ab und zu eine Kostprobe des Fleisches bekommen – hier hat das richtige Messer tatsächlich eine große Rolle gespielt, die Kostprobe muss hauchdünn sein.

Meine Brüder und ich durften bei der „Freigabe“ mitentscheiden (zu salzig? zu blutig?) und so wurden wir nebenbei als zukünftige „Assadores“ ausgebildet.

Mein Vater stand stundenlang neben dem Feuer und wurde von uns mit Getränken versorgt und war sogar beim Essen  mehr am Stehen als am Sitzen, weil einige Spieße noch beobachtet werden müssen. Ein „Assador“ hat es nicht leicht und  ist am Abend todmüde aber sehr stolz auf seine Leistung.

Dann waren es plötzlich viel mehr Leute am Tisch als nur wir: Der Nachbar, der über den  Zaun “das duftet aber gut” ruft und somit quasi sich selbst einlädt, die Kinder die mit meinen Brüdern mitgespielt haben, die Tante die nur etwas schnell vorbei bringen wollte und auch eventuell anderen die aus dem Nichts kamen. Alle bleiben und das Essen reicht auf jeden Fall aus.

Diese spontane Geselligkeit, die Zusammenarbeit, die Kinder am toben, die Sonne, der Rauchgeruch, das Fußballspiel lautlos im Fernseher, eine Hängematte, mein Vater den ganzen Tag neben der Churrasqueira stehend: So waren die Sonntage meiner Kindheit in Brasilien. Diese Erinnerung ist so frisch in meinem Gedächtnis wie einen Sprung in den Pool (aber „NICHT MIT VOLLEM BAUCH!! rief meine Mutter immer aus der Küche).

 

Originalzutaten erhältst du übrigens bei brasil-latino.de.

Photo 1) Churrasco carioca© Leonardo Leguas Carvalho on Wikipedia

Photo 5) Carne-Churrasco © Benjamin Thompson on Wikimedia

 

5 Kommentare auch kommentieren

  1. Andreas sagt:

    Ich liebe die Brasilianische Grillkultur :). Toller Artikel dazu. Das Rodizio schmeckt mit seinen verschiedenen Fleischsorten immer sehr lecker. Auch das brasilianische Nationalgericht, Feijoada kann ich nur sehr empfehlen.

    Lg

    Andreas

    1. Anne sagt:

      Hallo Andreas, vielen lieben Dank für deine nette Nachricht. Hast du bereits die Möglichkeit gehabt, Rodízio und Feijoada direkt vor Ort in Brasilien zu probieren?

  2. Guilherme sagt:

    Liebe Anne,

    ein grossartiger Artikel über die brasilianische Küche und ein ganz besonderes Lebensgefühl! Die Frauen haben sich zudem stundenlang über ihre Nachbar:innen echauffiert und die Männer währenddessen Zigarren genossen – das ist eben Brasilien! Danke für’s Erinnern (und ein wenig Fernweh) 😉

    1. Anne sagt:

      Ja, es war in meiner Kindheit so…und so ist es immer noch 🙂

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